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Interview mit der Liedermacherin und Buchautorin Katharina Fast

 

Wann  hast du begonnen Lieder zu schreiben?

Die ersten Lieder habe ich in Russland geschrieben, die Liebeslieder in Russisch, Heimatlieder und humoristische auf Platt für unsere regionalen Kulturveranstaltungen.
Hierzu eine kleine Geschichte: Nach der 10. Klasse, ich war damals knapp 17, rief mein Musiklehrer mich an und bat mich mit einem selbstgeschriebenem Lied an einer Musikveranstaltung unseres Kreises teil zu nehmen. Die Besten sollten dann in Barnaul und in anderen Städten auftreten. Selbstverständlich sang ich ein romantisches Liebeslied. Worüber singt man auch sonst, wenn man 17 ist? Prompt wurde ich dafür abgestraft. Die Musiker in der Jury wollten mich weiterschicken, aber die ideologische Leiterin sagte: "Es ist schön, dass das Mädchen gut singt und Gitarre spielt, aber es sollten patriotische Lieder sein!" So war meine „große Weltkariere“ aus, bevor sie richtig begonnen hatte. (Die Autorin lächelt verschmitzt.)

Dann bist du also schon in Russland mit eigenen Liedern aufgetreten?

Ja, aber nach dem Vorfall mit der übereifrigen patriotischen Leiterin, war ich so verunsichert, dass ich immer behauptete, ich hätte die Lieder irgendwo anders gehört. Ich galt in unserem kleinen mennonitischen Dorf so schon immer als ein wenig seltsam. Noch ein wenig seltsamer und ich wäre auf ewig eine alte Jungfer geblieben. (Die Autorin lächelt mich verschwörerisch an.)

Zu deiner Prosa: Hast du sofort angefangen in Deutsch zu schreiben oder erst in Russisch und Plattdeutsch?

Da verhält es sich ähnlich wie mit den Liedern: In Deutschland schrieb ich von Anfang an größtenteils in Deutsch, in Russland  jedoch schrieb ich Lyrik und Lieder in Russisch, die humoristischen Texte - in Plattdeutsch und nur wenige Geschichten in Deutsch.

Bevorzugst du fiktive Geschichten zu schreiben oder eigene Erlebnisse mit Details aus deiner Fantasie ? Was inspiriert dich?

In fast jeder Geschichte ist ein Körnchen Wahrheit und um dieses Körnchen spinne ich, wie eine fette alte Spinne an ihrem Netz, meine Geschichten. Mich kann irgendeine Situation, ein Gedanke, eine Aussage, ein malerischer Sonnenuntergang, ein Vogelzwitschern oder ein lang ersehnter Schneefall inspirieren.

Du hast einen ausgeprägten Sinn für Humor. Was fällt dir leichter zu schreiben: witzige Geschichten oder Ernstes?

Eine schwere Frage. Wenn ich nicht so viel lachen würde, würde ich zu oft weinen und das ist schlecht für die Gesundheit und das Aussehen einer eitlen Frau.
Aber im Ernst. Die humoristischen Geschichten entstehen sehr oft, wenn es mir nicht so gut geht. Die Geschichte „Mein letzter Ritter der Tugend“ entstand z. B., als ich mal wieder einen schlimmen Bandscheibenvorfall hatte und befürchtete, dass ich arbeitsunfähig werden könnte. Besonders treibt mich beim Schreiben der Geschichten der Gedanke an, wie schnell man mit ein paar Worten ein Lächeln auf die Gesichter der Zuhörer zaubern kann.
Kitsch und Romantik schreibe ich, wenn ich in seltenen Stunden, meist vor Weihnachten oder im Urlaub, nicht so geladen und unruhig bin sondern Versuche mich zu entspannen und an etwas Schönes zu denken.
Ernste Texte schreibe ich ganz selten, da ich finde, dass es auch so schon zu viel Trauriges auf dieser Welt gibt und zu viele Leute das Leben und sich selbst zu furchtbar wichtig  nehmen. Ich bin der Ansicht, dass die wahren Meister und Meisterinnen der Literatur viel wortgewandter und tiefgründiger, als ich es könnte, die Probleme der heutigen Gesellschaft literarisch verarbeiten.

 Was bedeutet für dich das niederdeutsche Platt?

Platt ist meine Muttersprache, die Sprache meiner Kindheit, mit der ich groß geworden bin. Diese Sprache ist ein Teil von mir. Besonders gut lassen sich in Platt humorvolle Sachen schreiben, sei es für die Bühne oder zum Lesen. Die Sprache beinhaltet viele deftige, derbe und äußerst witzige Ausdrücke, die einen ganz besonderen Klang haben und zum Lachen  verleiten. Unsere Vorfahren waren merkwürdige Kautze, die sich liebend gerne über jemanden oder auch über sich selbst lustig machten. Doch sie waren wohl ganz selten romantisch aufgelegt  (ich bin da keine Ausnahme, ein waschechtes plautdietsches Kind) und benutzten selten Liebeswörter. Das Wort Liebe gab es in unserem Dialekt lange Zeit nicht einmal. Man sagte nur „Etj sie die göt.“ Ich weiß nicht, ob „göt“ - „Liebe“ bedeutet oder einfach nur: „Ich habe dich gern“ damit gemeint ist?
Meine Tochter und ich haben bemerkt, dass wenn wir irgendwo unterwegs sind und uns unter fremden Leuten bewegen, wir uns komischer Weise immer auf Platt unterhalten. Ich glaube, das passiert unbewusst, damit uns kein anderer verstehen kann. Unsere  Sprache hört sich ziemlich englisch oder niederländisch an und wir werden des Öfteren für Touristinnen gehalten.
Zum Anderen, werden wir, wenn wir auf plattdeutsch reden, häufig angesprochen und gefragt, welche Sprache dies denn sei. Dadurch kommen wir mit Menschen ins Gespräch und haben deswegen schon interessante Bekanntschaften gemacht. Dabei kann ich den Interessierten dann ganz nebenbei eine kleine Unterrichtsstunde über die Geschichte der Russlanddeutschen und die Entstehung unserer schönen Sprache, erteilen. (Die Autorin grinst mich wieder Spitzbübisch an.)

 Änderst du manchmal deine Texte nachdem du sie an Zuhörern "erprobt" hast?
Ich ändere sehr oft Passagen in meinen Geschichten, nachdem ich sie vorgetragen habe, weil ich beim Vortragen merke, wie holprig einige Stellen klingen oder weil mir im Nachhinein  ein geeigneterer Begriff in den Sinn kommt.

Welche Themen bevorzugst du in deinem Buch?
Ich bevorzuge einfache Situationen aus dem täglichen Leben.  Das besondere daran ist der Blickwinkel.
Wo der eine wütend oder enttäuscht reagiert, lacht der andere schallend.
Danke für das Gespräch und viel Erfolg mit deinem ersten Buch „Mein letzter Ritter der Tugend“

Fragen stellte Agnes Gossen-Giesbrecht